
Rosa Bär und Eulenauge
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Es war an einem wunderschönen Herbsttag
als der kleine Bär traurig an einer Eiche stand
und zu ihr sagte:
„Ach, du hast es vielleicht gut.
Du stehst hier, bist stark und groß und
niemand kann dir etwas anhaben.
Ich aber ich bin klein und muss mich vor aller Welt fürchten.
Ich wünschte ich wäre auch so wie du.“
Mit einem lauten Seufzer
ließ der kleine Bär die Eiche stehen, löste sich
aus ihrem Schatten und stolperte Schritt für Schritt
hinein in die Ungewissheit des Tages.
Als er ein Stück des Wegs gegangen war,
setzte sich ein kleiner Schmetterling auf seine Stirn.
„Duuu?, großer starker Bär? ich wünschte ich wäre
auch so wagemutig, stolz und unerschrocken
wie du. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, wenn
ich dich ein kleines Stück des Weges begleite,
mich hier auf dich setze und auf dich und deine Stärke
vertraue?“
Da stoppte der Bär für einen Augenblick und wurde
nachdenklich. Hatte dieser Schmetterling ihn eben als
wagemutig, stolz und unerschrocken bezeichnet?
Dieser kleine Weggefährte mit seiner hellbraunen Farbe
der sich wiederholenden Maserung auf beiden Flügelseiten und diesem lustigen augenähnlichen Mal
an seiner Rückseite?
„Du bist aber ein Schmeichler“, sagte der Bär
zum Schmetterling. „Das machst du doch nur, weil du
mitreisen möchtest ohne einen Cent Reisegeld
zu bezahlen, oder?“
„Nein, nein!
Was denkst du? Sicher nicht,“ meine der zarte Flatterling, der sich Eulenauge nannte.
"Ganz und gar nicht. Ich fand dich nur so anziehend, so unwiderstehlich hübsch und konnte gar nicht anders als auf dir zu landen, das musst du mir glauben!“
Und nachdenklich wie der Bär immer war,
fragte er sich, warum das wohl so sei?
Brummend ging der Bär voran und beide gemeinsam durch den dunklen Wald.
„Du?“ richtete der Bär nach einigen hunderten Schritten brummend seine wohlüberlegte Frage
an seine überaus reizvolle Wegbegleitung.
„Ich habe jetzt nachgedacht.“
„Und?“ Fragte der Schmetterling laut nach vorne,
denn er hatte sich ganz nach hinten auf das Fell des Bären gesetzt.
„Naja, das ist so eine Sache, ich bin nicht so
selbstbewusst, aber ich meine, du könntest doch Recht haben. Es gibt wohl im ganzen Wald keinen Bären wie mich. Und meine Attraktivität ist ja doch nicht von der Hand zu weisen. Normalerweise würden wir mit unseren von der Natur gegebenen Farben eine Einheit darstellen. Du wärst annähernd so wie ich auch.
„Braun, Braun, Braun“, kicherte Eulenauge.
So aber sind wir anders. Gänzlich unterschiedlich.
„Rosa-Braun,“, alberte Eulenauge. "Und ich bin noch dazu ein Leichtgewicht."
"Von der Farbe schon mal ganz abgesehen,“ erwiderte der Bär. Und hinzu kommt unsere Veranlagung, dann die Gewichtsklassen. Da hast du Recht!“
Ja und gerade das, so meinte der Bär, wäre doch der Umstand, der sie beide zusammengebracht hätte.
Nun wären sie Wegbegleiter hinein ins Ungewisse
und fühlten sich doch stärker gemeinsam als jeder für sich.
Eulenauge flatterte bejahend.
So gingen sie noch lange nachdenklich in die gleiche Richtung und hielten einander für etwas ganz Besonderes.
Als sich der Bär hinlegen wollte weil er vom Denken, Brummen, Gehen und nicht zuletzt vom Tragen
etwas müde geworden war, sah er sich vorsichtig nach seinem Weggefährten um.
Der jedoch war nicht mehr zu sehen.
Hatte er sich ohne einen Abschiedsgruß aus seinem Fell gemacht? Er wunderte sich darüber, dass er Weden den Flügelschlag noch das Abheben der Kreatur
merkt hatte und schüttelte ungläubig seinen Bärenkopf.
Dann zog er seine buschigen Augenbrauen hoch, dass man meinen konnte, er würde sich einen Vorwurf machen.
Kopfschüttelnd kuschelte sich auf den Waldboden,
legte seine Ohren an das Fell und schloss langsam seine müden Augen.
Bevor er einschlief, freute er sich
auf den nächsten Morgen und auf das was kommen möge.
